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Zum Thema Arbeitsrecht
Erneute Arbeitsunfähigkeit: Bereits absolviertes Eingliederungsmanagement berechtigt bei Wiedererkrankung nicht zur Kündigung
Wenn ein Arbeitnehmer länger als sechs Wochen innerhalb eines Jahres erkrankt ist, ist vom Arbeitgeber zwingend ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Ob dann schließlich bei erneuter Erkrankung nach einem solchen Programm eine Kündigung des betreffenden Arbeitnehmers möglich ist, klärte im Folgenden das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG).
Ein Produktionsmitarbeiter war nach Erkrankung einem bEM unterzogen worden, das im März 2019 endete. Dabei wurde festgestellt, dass der Mitarbeiter keine Gesundheitsprobleme mehr aufweise. Dann aber häufte der Mitarbeiter bis Mitte November insgesamt 79 weitere Arbeitsunfähigkeitstage an, woraufhin der Arbeitgeber die krankheitsbedingte Kündigung aussprach. Man ahnt es: Dagegen klagte der Mitarbeiter. Und das mit Erfolg.
Denn auch das LAG war der Auffassung, dass die Kündigung rechtswidrig war. Der Arbeitgeber hätte vor der Kündigung in einem erneuten bEM nach Möglichkeiten suchen müssen, den Mitarbeiter leidensgerecht zu beschäftigen.
Hinweis: Wenn Arbeitgeber ein erforderliches bEM nicht durchführen, ist in aller Regel der Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung nicht möglich.
Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 09.12.2020 - 12 Sa 554/20
zum Thema: Arbeitsrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Folgenschwere Nachlässigkeit: Kündigung nach mehrmaligen Hinweisen zu fehlender Anzeige der Arbeitsunfähigkeit rechtens
Auch kleine Nachlässigkeiten können einen Kündigungsgrund darstellen. So sind Arbeitnehmer auch bei einer andauernden Arbeitsunfähigkeit dazu verpflichtet, ihren Arbeitgeber über den Verlauf zu informieren. Kommt der Erkrankte diesen Pflichten nicht nach, ergeht es ihm schnell wie dem Lageristen im folgenden Fall des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (LAG).
Ein Arbeitnehmer war bereits seit 2007 bei seinem Arbeitgeber als Lagerist beschäftigt. Seit Juli 2016 war er durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Lagerist versäumte es dabei aber wiederholt, seinem Arbeitgeber die Fortdauer seiner Erkrankung rechtzeitig und korrekt mitzuteilen. Der Arbeitgeber wies seinen Mitarbeiter zunächst schriftlich auf dessen Pflichten hin, mahnte ihn dann mehrfach ab und kündigte ihm schließlich. Dagegen klagte der Langzeiterkrankte.
Die Kündigungsschutzklage hatte in Augen des LAG jedoch keinen Erfolg. Denn nach Ansicht der Richter hatte der Mitarbeiter seine Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Fortdauer seiner Arbeitsunfähigkeit trotz vorangehender Abmahnungen mehrfach vorsätzlich verletzt.
Hinweis: Arbeitnehmer sollten also die Hinweis- und Nachweispflichten im Fall von Arbeitsunfähigkeit ernst nehmen. Die Pflichten gelten dabei nämlich auch im Fall einer Langzeiterkrankung!
Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.11.2020 - 10 Sa 52/18
zum Thema: Arbeitsrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Rücktrittsverpflichtung vonnöten: Ein Aufhebungsvertrag führt nicht ohne weiteres zum Ende des Betriebsratsamts
Warum ein Betriebsratsmitglied, das einvernehmlich durch einen Aufhebungsvertrag sein Arbeitsverhältnis beendet, deshalb nicht sein Betriebsratsamt sofort verliert, beantwortet im folgenden Fall das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG).
Ein Arbeitgeber hatte mit einem Mitglied des Betriebsrats einen Aufhebungsvertrag zum 31.12.2021 geschlossen. In diesem Aufhebungsvertrag war eine unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers vereinbart worden. Trotzdem nahm der Arbeitnehmer weiterhin an den Betriebsratssitzungen teil. Der Arbeitgeber meinte nun, durch die unwiderrufliche Freistellung habe der Arbeitnehmer auch sein Betriebsratsamt verloren. Als dann der Arbeitnehmer feststellte, dass seine Zugangskarte zu den Betriebsräumen gesperrt worden war, beantragte er den Erlass einer einstweiligen Verfügung - zu Recht.
Nach Auffassung der LAG-Richter gehörte der Mann durchaus noch dem Betriebsrat an. Insbesondere die Freistellung bis Ende des Jahres 2021 führe nicht zum Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat. Eine entsprechende Rücktrittsverpflichtung hätten die Parteien im Aufhebungsvertrag schließen können - aber genau das hatten sie eben nicht getan.
Hinweis: Liegt also zwischen dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags und der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ein langer Zeitraum, kann der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer vereinbaren, dass dieser kurzfristig vom Betriebsratsamt zurücktritt.
Quelle: Hessisches LAG, Beschl. v. 21.12.2020 - 16 TaBVGa 189/20
zum Thema: Arbeitsrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Unrechtmäßigkeit angezweifelt: Außerordentliche Kündigung kann Personalratsmitglied an der Ausübung seines Amts hindern
Es ist zwar recht selten, dass einem Mitglied des Betriebs- oder des Personalrats fristlos gekündigt wird. Da dies jedoch durchaus vorkommen kann, war es im Folgenden am Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), die Auswirkungen einer solchen Kündigung auf die Tätigkeit als Gremiumsmitglied auszuweisen.
Ein Personalratsmitglied wurde fristlos entlassen und ging gegen diese Kündigung vor. Der Mann wollte zum einen erreichen, dass er trotz der fristlosen Entlassung sein Amt zumindest noch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter ausüben darf. Per Eilverfahren wollte er zum anderen den Leiter seiner Dienststelle und des Gesamtpersonalrats verpflichten, ihn bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht in der Ausübung seines Personalratsamts zu behindern.
Die Richter des BVerwG meinten jedoch, dass eine Voraussetzung für die weitere Ausübung des Personalratsamts sei, dass das gekündigte Personalratsmitglied darlegen müsse, dass die angegriffene Kündigung offensichtlich unwirksam sei. Erst somit sei kein anzunehmender Zweifel am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses berechtigt. Dazu hatte das Personalratsmitglied in diesem Fall aber nicht genügend vorgetragen, so dass der Mann mit seinem Antrag scheiterte.
Hinweis: Betriebsräte und Personalräte sind zwar gesetzlich geschützt und genießen einen sogenannten besonderen Kündigungsschutz. Der hilft aber eben auch nicht immer, da sich eben alle an Recht und Gesetz halten müssen.
Quelle: BVerwG, Beschl. v. 04.02.2021 - 5 VR 1.20
zum Thema: Arbeitsrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Voller Lohnanspruch: Einseitig angeordnete Kurzarbeit setzt entsprechende Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag voraus
Auch in den aktuell vorherrschenden Krisenzeiten sind Arbeitgeber dringend angehalten, ihre Pläne zur Kurzarbeit akkurat umzusetzen. Denn was passiert, wenn Arbeitnehmer gegen ihren Willen und ohne entsprechende betriebliche Regelungen in eine solche versetzt werden, sieht man an dem folgenden Fall des Arbeitsgerichts Siegburg (ArbG).
Ein Arbeitnehmer war als Omnibusfahrer mit einem Bruttomonatsgehalt von 2.100 EUR beschäftigt. Dann teilte ihm seine Arbeitgeberin mit, dass Kurzarbeit angemeldet werden müsse. Eine Vereinbarung über die Kurzarbeit gab es mit dem Omnibusfahrer ebenso wenig wie eine Betriebsvereinbarung, da es im Betrieb gar keinen Betriebsrat gab. Der Omnibusfahrer war mit der Kurzarbeit nicht einverstanden, und obwohl er der Arbeitgeberin seine Arbeitsleistung anbot, kürzte sie trotzdem einen Teil seines Gehalts. Die Zahlung betitelte sie in der Abrechnung als "Kurzarbeitergeld". Daraufhin zog der Arbeitnehmer vor das ArbG und verlangte die Zahlung seines vollen Gehalts.
Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Ein Arbeitgeber darf einseitig Kurzarbeit nur dann anordnen, wenn dies individualvertraglich durch Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag zulässig ist. Bei einer Anordnung ohne rechtliche Grundlage besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld, und Arbeitnehmer behalten ihren vollen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber wegen eines Annahmeverzugs des Arbeitgebers.
Hinweis: Kurzarbeit muss rechtssicher eingeführt werden. Das geht durch eine arbeitsvertragliche Regelung, eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat oder durch einen Tarifvertrag.
Quelle: ArbG Siegburg, Urt. v. 11.11.2020 - 4 Ca 1240/20
zum Thema: Arbeitsrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Zum Thema Erbrecht
Ehegattentestament: Schlusserbeneinsetzung entfällt, wenn Schlusserbe trotz Verwirkungsklausel den Pflichtteil verlangt
Gemeinschaftliche testamentarische Verfügungen enthalten oft Klauseln, mit denen ein Pflichtteilsberechtigter auf seinen Pflichtteil begrenzt wird, falls er diesen nach dem Tod des Erstversterbenden geltend macht. Die sich gegenseitig einsetzenden Erben wollen damit sicherstellen, dass dem Überlebenden bis zu seinem Tod der Nachlass ungeschmälert verbleibt. Diesen Umstand logisch aufzulösen, war im folgenden komplexen Fall Aufgabe des Oberlandesgerichts Hamm (OLG).
Hier war ein Streit darüber entstanden, ob ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament eine Schlusserbeneinsetzung beinhaltete. Die Erblasserin und ihr Mann hatten 1997 ein solches Testament errichtet und sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Im Jahr 2012 errichteten die Eheleute ein weiteres gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich zu Alleinerben einsetzten und darüber hinaus verfügten, dass ein Haus an die Tochter bzw. nach deren Tod an deren Sohn (den Enkel der Erblasserin) gehen sollte. Ein weiteres Haus sollte an den Sohn der Beteiligten übergehen. Sollte eines der Kinder diesen gemeinsamen letzten Willen nicht anerkennen, verfügten sie ferner, dass dieses nur seinen Pflichtteil bekäme.
Im Jahr 2016 ermordete der Enkel seinen Großvater und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Im gleichen Jahr verstarb auch die Mutter des Täters, Tochter der Erblasserin. Deren Witwer machte im eigenen Namen - aber auch für seinen im Gefängnis befindlichen Sohn - Pflichtteilsansprüche geltend. Im Jahr 2016 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament und setzte ihren Schwiegersohn zum Alleinerben ein. Das OLG musste sich mit der Frage beschäftigen, ob die ursprüngliche Verfügung der Eheleute bereits eine gemeinsame Schlusserbeneinsetzung beinhaltete, aufgrund derer die Erblasserin dann gehindert gewesen wäre, eine erneute davon abweichende Verfügung zu treffen.
Das OLG kam nach einer Auslegung des Testaments zu dem Ergebnis, dass die Eheleute in der Verfügung aus dem Jahr 2012 bereits gemeinsam eine Bestimmung der Schlusserben vorgenommen hatten. Zwar hatten sie seinerzeit nur verfügt, dass die Tochter eine Immobilie und der Sohn die andere erhalten solle. Hierbei handelte es sich aber nach Ansicht des Gerichts nicht um eine Vermächtnisanordnung, sondern vielmehr um eine Einsetzung der gemeinschaftlichen Kinder als Miterben, verbunden mit einer Teilungsanordnung. Es könne nicht angenommen werden, dass der Erblasser seinen gesamten wesentlichen Nachlass verteilt, ohne einen oder mehrere Erben einsetzen zu wollen. Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die Pflichtteilsstrafklausel gestützt. Eine solche ist nur dann sinnvoll, wenn die Erblasser davon ausgegangen waren, dass die Kinder als Schlusserben des überlebenden Ehegatten bestimmt worden sind.
Hinweis: Besonders im Erbrecht sind die Kläger oft auf die gerichtliche Interpretation des eigentlich Gemeinten angewiesen. Um das Risiko einer fehlerhaften Auslegung der letztwilligen Verfügung zu minimieren, ist eine klare Formulierung darüber, wer Schlusserbe sein soll, empfehlenswert.
Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 27.01.2021 - 10 W 71/20
zum Thema: Erbrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Kein Nachrücken von Abkömmlingen: Klare Nacherbenregelung empfiehlt sich, wenn der eigentliche Erbe kein Abkömmling des Erblassers ist
Auch wenn der Titel "Mein letzter Wille" es im eigentlichen Wortsinn ausschließt, empfielt es sich dennoch, dabei stets noch einen Schritt weiter zu denken. Zwar kennt das Gesetz die Regel, nach der im Zweifel davon auszugehen ist, dass ein Erblasser beabsichtigt, dass bei einem Vorversterben seines berücksichtigten Abkömmlings dessen eigene Abkömmlinge an seine Stelle treten sollen. Dass bei unklaren Regelungen ein Gericht im Streitfall allerdings auch zu einem anderen Ergebnis kommen kann, zeigt das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) mit seinem folgenden Beschluss.
Die unverheiratete Erblasserin dieses Falls hatte selbst keine Abkömmlinge. Es existierte eine ältere Halbschwester, die ihrerseits zwei Kinder hatte. Im Jahr 1997 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament und setzte ihre Nichte und ihren Neffen zu gleichen Teilen als Miterben ein. Abgesehen von einer Grabpflegeanordnung wurden keine weiteren Verfügungen getroffen. Zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin war der Neffe bereits vorverstorben. Dessen Kinder waren nun der Ansicht, als Abkömmlinge ihres vorverstorbenen Vaters als dessen gesetzliche Erben an seine Stelle getreten zu sein.
Dieser Ansicht schloss sich das OLG jedoch nicht an. Die Zweifelsregel sei unmittelbar auf den Fall nicht anwendbar, da es sich bei den testamentarischen Erben nicht um Abkömmlinge der eigentlichen Erblasserin gehandelt habe. Aber auch aus einer Auslegung des Testaments sei nicht der Wille der Erblasserin zu entnehmen, dass ein "Nachrücken" der Kinder des Neffen gewollt war. Bei der Auslegung kommt es darauf an, ob der Neffe der Erblasserin um seiner Person willen als Erbe eingesetzt wurde oder als "Erster seines Stamms" berufen wurde. Die Umstände des Einzelfalls führten das OLG in diesem Fall zur Ansicht, dass hier keine Umstände festgestellt werden konnten, die eine Bestimmung eines Ersatzerben rechtfertigen konnten. Das Gericht ging daher von einer sogenannten Anwachsung bei der verbliebenen Miterbin aus.
Hinweis: Schwebt dem Erblasser ein konkreter Erbe vor, der um seiner Person willen berufen werden soll, empfiehlt es sich, für den Fall des Vorversterbens des Erben auch eine mögliche Bestellung eines Ersatzerben oder alternativ die gesetzliche Erbfolge nach dem vorverstorbenen Erben in Erwägung zu ziehen.
Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.01.2021 - 3 Wx 132/20
zum Thema: Erbrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Keine amtliche Verwahrung: Im Gegensatz zum Erbvertrag selbst genießt die Rücktrittserklärung kein besonderes Schutzbedürfnis
Ein notariell zu beurkundender Erbvertrag wird beim zuständigen Amtsgericht in amtliche Verwahrung gegeben, sofern die Vertragsschließenden die besondere amtliche Verwahrung nicht ausgeschlossen haben. Dann verbleibt der Erbvertrag in der Verwahrung des beurkundenden Notars. Was geschieht, wenn die Beteiligten einen Rücktritt von einem Erbvertrag notariell beurkunden lassen, und ob auch diese Rücktrittserklärung in amtliche Verwahrung gegeben werden muss, beantwortete das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) im folgenden Fall.
Der beurkundende Notar war der Ansicht, dass die Rücktrittserklärung von einem Erbvertrag wie auch der Erbvertrag selbst in amtliche Verwahrung zu geben seien. Dieser Ansicht hat sich das OLG in letzter Instanz jedoch nicht angeschlossen und seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass der Wortlaut des Gesetzes nur für den "Abschluss des Erbvertrags" gelte.
Die besondere amtliche Verwahrung soll eine sichere Aufbewahrung einer Verfügung von Todes wegen gewährleisten sowie den Inhalt der Verfügung geheim halten und vor Manipulationen jedweder Art schützen. Für den Rücktritt vom Erbvertrag ist allerdings nur erforderlich, dass die Erklärung dem Vertragspartner zugeht. Die Gefahr einer Manipulation der Rücktrittserklärung oder ein besonderes Geheimhaltungsinteresse bestehen in einem solchen Fall nicht.
Hinweis: Im Gegensatz zu Erbverträgen sieht das Gesetz bei notariellen Testamenten grundsätzlich vor, dass diese unverzüglich in besondere amtliche Verwahrung gebracht werden müssen.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 22.12.2020 - 3 W 115/20
zum Thema: Erbrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Pflichtteilsanspruch verjährt: Bruder ist als Vormund nicht verpflichtet, Ansprüche gegen sich oder Angehörige geltend zu machen
Ist die Verjährung von Ansprüchen erst einmal eingetreten, können diese zumeist nicht mehr erfolgreich durchgesetzt werden. So unterliegen auch Pflichtteilsansprüche einer Verjährungsfrist von drei Jahren. Ob einem Mann, der als Vormund seiner Schwester auf die Inanspruchnahme solcher Ansprüche in ihrem Namen verzichtet hatte, damit eine rote Linie überschritten hat, musste auf Drängen eines Sozialhilfeträgers das Oberlandesgericht Hamm (OLG) klären.
In dem Rechtsstreit ging es um Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche, die ein Sozialhilfeträger gegenüber dem Bruder der Leistungsempfängerin geltend gemacht hat. Die Leistungsempfängerin war aufgrund einer schweren intellektuellen Behinderung geschäftsunfähig. Bis zu seinem Tod war der Vater rechtlicher Betreuer seiner Tochter. Dieser hatte 1987 zwei Immobilien auf seinen Sohn unentgeltlich übertragen sowie sich und seiner Frau ein Wohnungsrecht an einer Immobilie einräumen lassen. Als der Mann 1989 verstarb, wurde die Ehefrau zur Alleinerbin. Ab 1990 war der Bruder rechtlicher Betreuer seiner Schwester. Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche hatte der Bruder in seiner Eigenschaft als Betreuer zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht. Nach dem Tod der Mutter leitete der Sozialhilfeträger 2017 Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche der Schwester auf sich über. Am OLG war es nun, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob Ansprüche des Sozialhilfeträgers zwischenzeitlich zu Recht verjährt waren.
Grundsätzlich beginnt die Verjährung in dem Zeitpunkt, in dem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt hat. Da der Bruder als gesetzlicher Vertreter bestellt war, war auf dessen Kenntnis abzustellen, so dass das Gericht zu dem Ergebnis kam, dass ein solcher Anspruch zwischenzeitlich verjährt war. Dabei war es laut Ansicht des OLG eine nicht zu beanstandende Entscheidung des Bruders, Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche zunächst gegen die Mutter als Alleinerbin und später gegen sich selbst nicht geltend zu machen. Der Vormund ist nicht daran gehindert, von der Erhebung einer Klage bzw. der Stellung eines verfahrenseinleitenden Antrags im Namen des Mündels gegen sich selbst oder einen seiner Angehörigen abzusehen.
Hinweis: Die Einrede der Verjährung muss aktiv geltend gemacht werden und wird durch das Gericht nicht von Amts wegen berücksichtigt. Ist der Betreuer selbst eventuell dazu verpflichtet, Pflichtteilsansprüche auszugleichen, besteht die Möglichkeit, dass das Vormundschaftsgericht für die Berechtigte einen Ergänzungsbetreuer bestellt.
Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 22.12.2020 - 10 U 103/19
zum Thema: Erbrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Sittenwidriges Testament: Gerichtlich bestellte Betreuer müssen ihre Aufgaben ohne Erwartung von Zuwendungen erfüllen
Die "pflegende Erbschleicherin" hat es zu vielfachen Ruhm in diversen Thrillern geschafft. Dass erst jetzt ein Gesetzentwurf in Arbeit ist, der solch einem Treiben beruflicher Betreuer Einhalt gebieten soll, heißt aber nicht, dass es nicht bereits schon jetzt unter scharfer Beobachtung steht. Denn einem solchen sittenwidrigen Geschäft hat auch das Oberlandesgericht Celle (OLG) erst kürzlich ein klares "Nein!" entgegengehalten.
In dem zu entscheidenden Fall war der nicht verheiratete und kinderlose Erblasser 2012 verstorben. Seit dem Jahr 2005 war für den Erblasser eine Berufsbetreuerin bestellt. Zu diesem Zeitpunkt war der Erblasser bis zu seinem Tod auf einer gerontopsychiatrischen Pflegestation untergebracht. Im Mai 2005 errichtete der Erblasser noch ein notarielles Testament, in dem er seine Berufsbetreuerin sowie einen "Seniorenbetreuer", der gelegentliche Besorgungen für den Erblasser erledigte, hälftig zu Miterben einsetzte. Nach dem Tod des Erblassers beantragte die zur Erbin berufene Berufsbetreuerin die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, den das Gericht jedoch rechtskräftig zurückwies. In der Folge wurde ein Nachlasspfleger eingesetzt, der mit der Ermittlung von Erben und der Sicherung des Nachlasses beauftragt war. Im Zuge dieser Tätigkeit kam es dann zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Nachlasspfleger und der Berufsbetreuerin, die in dieser Auseinandersetzung geltend machte, Miterbin nach dem verstorbenen Erblasser geworden zu sein.
Das OLG hat jedoch festgestellt, dass das notarielle Testament nicht nur wegen der damaligen Testierunfähigkeit des Erblassers unwirksam ist - darüber hinaus war das Testament auch wegen Sittenwidrigkeit unwirksam. Für die Prüfung der Sittenwidrigkeit komme es immer auf den konkreten Einzelfall an, wobei es nicht erforderlich sei, dass sich die Beteiligten bewusst darüber waren, dass das Rechtsgeschäft sittenwidrig sei. Es sei ebenso wenig erforderlich, dass mit dem Geschäft überhaupt eine Schädigungsabsicht verbunden sei. Ausreichend sei, dass der Handelnde die Tatsachen kenne, aus denen sich eine Sittenwidrigkeit objektiv ergeben könne. Ein Betreuer ist ein vom Vormundschaftsgericht gestellter staatlicher Beistand zur Fürsorge in rechtlichen und persönlichen Angelegenheiten. Aus diesem Grund muss von ihm auch erwartet werden, dass er seine Aufgabe auch ohne die Erwartung besonderer Zuwendungen von Seiten des Betreuten ausübt.
Hinweis: In einem aktuellen Gesetzentwurf zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts ist ein Verbot vorgesehen, dass berufliche Betreuer Geld oder geldwerte Leistungen von den Betreuten annehmen dürfen.
Quelle: OLG Celle, Urt. v. 07.01.2021 - 6 U 22/20
zum Thema: Erbrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Zum Thema Familienrecht
Antrag auf Verfahrenskostenhilfe: Ein werthaltiger Pkw kommt bei der Bedürftigkeitsprüfung nicht gut weg
Damit der Rechtsweg nicht zur Frage von arm und reich wird, gibt es für das Führen von gerichtlichen Verfahren den Anspruch auf staatliche Unterstützung, die im Familienrecht Verfahrenskostenhilfe heißt. Doch natürlich wird dafür im Vorfeld geprüft, ob nicht eventuell ein einzusetzendes Vermögen besteht, bevor der Staat einspringt. Ob und wann ein Auto unter jenem einsetzbaren Vermögen zu verstehen ist, musste im folgenden Fall das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) klären.
Ein Mann hatte Verfahrenskostenhilfe beantragt, obwohl der einen Pkw mit einem Wert von 15.000 EUR sein Eigen nannte. Zunächst einmal musste näher geprüft werden, ob in einem solchen Fall das Fahrzeug überhaupt notwendig sei. Ist das nämlich nicht der Fall, ist ein etwa vorhandener Pkw - und zwar völlig unabhängig von Größe und Wert - in jedem Fall zu Geld zu machen, um den Erlös zur Bestreitung der Verfahrenskosten einzusetzen. Ist das Fahrzeug jedoch aus beruflichen Gründen erforderlich, kommt es nach gerichtlicher Auffassung darauf an, ob es sich um ein höherwertiges Fahrzeug handelt. Nur ein günstiges Fahrzeug steht der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nicht im Weg. Somit ist ein teures Vehikel zu verkaufen und gegen ein günstigeres zu ersetzen. Der entsprechende Differenzbetrag ist dann für die Kosten des gerichtlichen Verfahrens einzusetzen. Und so hatte nach Bewertung des OLG auch im zur Entscheidung vorliegenden Fall ein solcher Austausch zu erfolgen.
Hinweis: Verfahrenskostenhilfe spielt gerade in der familienrechtlichen Praxis eine große Rolle. Dabei ist zu beachten: Wurde sie einmal gewährt, ist dies keine statische Entscheidung. Veränderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen können zu einer Änderung der Entscheidung über die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe führen. Und dies kann bis vier Jahre nach Beendigung des Verfahrens überprüft werden, für das die Bewilligung erfolgte.
Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.11.2020 - 13 UF 134/20
zum Thema: Familienrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Auszug allein reicht nicht: Schriftliche Klärung über die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung nach Scheidung unerlässlich
Die eheliche Wohnung ist bei Trennung und Scheidung eine regelmäßig heikle Angelegenheit. Dass aber selbst bei Einigkeit darüber, wer bleibt und wer geht, zu Recht ein Interesse darin liegen kann, schriftliche Klarheit über das weitere Schicksal des Mietvertrags zu erlangen, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgericht Hamburg (OLG).
Ein Ehepaar hatte gemeinsam eine Wohnung angemietet. Im Zuge von Trennung und Scheidung zog der Mann aus. So weit, so gut? Nicht ganz. Denn trotz augenscheinlicher Einigkeit der beiden verweigerte der Mann die abschließende Erklärung, aus dem Mietverhältnis auszuscheiden. Auch tat er sich lange Zeit schwer, den Schlüssel zur Wohnung abzugeben. Es reiche, dass er "praktisch" mit der Wohnung nichts mehr zu tun habe. Und da die Frau nach der Scheidung die Dinge abschließend geklärt wissen wollte, landete die Angelegenheit somit vor dem OLG.
Generell gilt gesetzlich, dass die einstigen Ehegatten für die Zeit nach der Scheidung durch übereinstimmende Erklärung dem Vermieter mitteilen und bestimmen können, wer von ihnen das Mietverhältnis künftig allein fortsetzt und welcher Ehegatte somit aus dem Mietvertrag ausscheidet. Das Mietverhältnis mit dem ausscheidenden Ehegatten ende dann abschließend für die Zukunft. Somit verlangte die Frau die nachzuvollziehende Klarheit auch in den Augen des OLG völlig zu Recht. Faktische Verhältnisse reichen allein nicht - auch formal und damit durch ausdrückliche schriftliche Erklärung habe der Mann mitzuteilen, dass auch er mit der Fortsetzung des Mietverhältnisses allein durch die Frau einverstanden sei.
Hinweis: In den meisten derartigen Fällen ist das Regelbedürfnis ein anderes: Der ausziehende Ehegatte muss darauf achten, nach der Scheidung aus dem Mietvertrag entlassen zu werden. Andernfalls kann er noch Jahre später belangt werden. Wenn beispielsweise der in der Wohnung verbliebene Ehegatte irgendwann Jahre später aus- und womöglich unbekannt verzieht, kann der Vermieter den vorher ausgezogenen Ehegatten wegen eventuell noch offener Mietzahlungen in Anspruch nehmen.
Quelle: OLG Hamburg, Beschl. v. 03.11.2020 - 12 UF 131/20
zum Thema: Familienrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Keine Herausgabe vor Scheidung: Anspruch zum Gebrauch des Familienwagens ist in der Trennungszeit auch ohne Fahrzeugbrief einlösbar
Wer was bekommt, ist in Trennungsfällen eine der heiklen Fragen, die oftmals erst durch die Gerichte zu beantworten sind. Ein hierbei heißbegehrter Haushaltsgegenstand ist das geliebte Familienauto. Und um genau dieses ging es einer Frau innerhalb der Trennungszeit - ein Fall für das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG).
Die Frau behielt ihr Fahrzeug in ihrem Besitz, verfügte auch über den Fahrzeugschein, nicht aber den Fahrzeugbrief. Diesen hatte der Mann in seinem Besitz, und die Frau verlangte von ihm dessen Herausgabe. Doch diesem Antrag entsprach das OLG nicht.
Das Familienfahrzeug ist - unabhängig von der Frage, wem es gehört und/oder wer der Halter ist - nicht einfach ein Vermögens-, sondern im Familienrecht gleichzeitig auch ein Haushaltsgegenstand. In der Trennungszeit - also in der Zeit von Trennung bis Scheidung - hat jener Anspruch darauf, der ihn zur Führung des Haushalts benötigt. Dieser Anspruch ist in der Trennungszeit jedoch lediglich ein Anspruch zum Gebrauch, mehr auch nicht. Zum Gebrauch eines Fahrzeugs ist neben dem Fahrzeug selbst auch nur der Fahrzeugschein erforderlich, nicht aber der Fahrzeugbrief. Deshalb habe die Frau auch hinzunehmen, dass sie in der Trennungszeit nicht auch über diesen Brief verfüge.
Hinweis: Nach der Scheidung hat jeder Ehegatte Anspruch auf sein Eigentum. Dann hat im vorliegenden Fall der Mann den Fahrzeugbrief auch herauszugeben. Besonderheiten gelten dann lediglich für Haushaltsgegenstände, die im gemeinsamen Eigentum stehen. Diese sind dem zuzugestehen, der in stärkerem Maße darauf angewiesen ist, wobei der andere dann Anspruch auf eine angemessene Ausgleichsleistung hat. Während der Ehe für den gemeinsamen Haushalt angeschaffte Gegenstände gelten im Zweifel als gemeinsames Eigentum - unabhängig davon, wer diese bezahlt hat.
Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.10.2020 - 13 UF 114/20
zum Thema: Familienrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Kindergartenbesuch sozial förderlich: Gericht überträgt die Befugnis zur Impfentscheidung auf die Kindesmutter
Nicht erst durch die Coronapandemie ist das Impfthema eines, an dem sich die Geister scheiden. So ist es für die Gerichte nichts neues, dass sich Eltern mitunter nicht einigen können, ob sie ihren Nachwuchs impfen lassen sollten. Auch der folgende Fall konnte erst durch das Amtsgericht Dienburg (AG) geklärt werden.
Die unverheirateten Eltern eines zweijährigen Kindes, das seit der Trennung bei der Mutter lebt, teilen sich dessen elterliche Sorge. Schließlich wollte die Mutter wieder arbeiten und den Sohn während ihrer Arbeitszeiten im Kindergarten betreut wissen. Die dazu notwendigen, altersentsprechenden Standardimpfungen gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts wollte die Mutter vornehmen lassen. Der Vater wehrte sich hingegen - zum einen wegen Bedenken gegen Impfungen, zum anderen weil er den Kindergartenbesuch des Jungen für komplett überflüssig ansah. Er sei schließlich arbeitslos und könne das Kind selbst betreuen.
Das AG hat die Befugnis, die Entscheidung über die Impfung zu treffen, auf die Mutter übertragen, da die Impfentscheidung von erheblicher Bedeutung sei. Eine solche sei zwar generell von beiden sorgeberechtigten Eltern gemeinsam zu treffen - da sie sich aber nicht einigen konnten, habe das Gericht diese Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil zu übertragen. Bei der Abwägung stand für das AG im Vordergrund, dass der Kindergartenbesuch für die soziale Entwicklung eines Kindes in der Regel förderlich ist. Da dazu die Impfung Voraussetzung ist, könne sie nicht umgangen werden. Stattdessen das Kind vom Vater betreuen zu lassen, bringe dabei wenig, da sich die Impffrage dann lediglich auf später verlagere, wenn das Kind in die Schule komme.
Hinweis: Die Entscheidung betrifft nicht generell die Frage nach Impfschutz, sondern nur die nach Impfen als Voraussetzung, um das Kind in den Kindergarten geben bzw. zur Schule anmelden zu können.
Quelle: AG Dieburg, Beschl. v. 07.12.2020 - 51 F 308/20 SO
zum Thema: Familienrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Kindschaftssache scheitert: Jugendamt kann selbst keine Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung einlegen
So brisant der folgende Fall auch ist, zeigt er auch besonders deutlich, wie wichtig es ist, den korrekten Rechtsweg zu beschreiten. Daher ist es besonders in Kindschaftssachen wichtig, darauf zu achten, wer welche Rechte und Möglichkeiten hat. Sonst geraten die Dinge aus dem Lot - so wie im folgenden Fall, der in seiner Konstellation nicht an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hätte herangetragen werden sollen.
Ein Kind lebte bei seiner Mutter, die das alleinige Sorgerecht innehielt. Dann zog die Frau mit der Tochter zu ihrem Partner. Das Heikle an der eigentlich selbstverständlich erscheinenden neuen Lebenssituation war, dass dieser Mann ein Jahr zuvor wegen Sexualstraftaten an Kindern zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Und so kam das Jugendamt ins Spiel. Über mehrere Instanzen endete das Verfahren damit, dass entgegen der Anregung des Amts der Mutter die elterliche Sorge nicht entzogen wurde. Sie wurde lediglich angehalten, eine Familienberatung aufzusuchen. Gegen diese Entscheidung legte das Jugendamt schließlich Verfassungsbeschwerde ein.
Das BVerfG wies die Verfassungsbeschwerde jedoch zurück, ohne in der Sache selbst eine Entscheidung zu treffen. Denn das Gericht erkannte darauf, dass das Jugendamt nicht berechtigt war, Verfassungsbeschwerde einzulegen. Dazu hätte es in eigenen Rechten verletzt sein müssen - und nicht die Rechte des Kindes. Denn das Kind wurde von einem Verfahrensbeistand vertreten, der die Entscheidung des Vorgerichts hingenommen hatte, weswegen das Jugendamt dagegen vorging. Stattdessen hätte aber ein Ergänzungspfleger bestellt werden können, damit dieser die Verfassungsbeschwerde im Namen des Kindes hätte einlegen können. Das war aber nicht geschehen. Allein der Umstand, dass das Jugendamt mit der Sache befasst war und sich um das Kind zu kümmern hat, berechtigt die Behörde aber nicht, den Fall vor das BVerfG zu bringen.
Hinweis: Der Fall zeigt, dass es in Kindschaftssachen nicht einfach nur um die Frage geht, was im Sinne des Wohls des Kindes richtig oder falsch ist. Wichtig ist auch, dass die gesetzlichen Regeln für das Vorgehen eingehalten werden. Das ist den oft bzw. meist emotional unmittelbar Beteiligten nur schwer möglich. Wichtig ist es deshalb, einen Berater zur Seite zu haben, der mit distanziertem Blick die Sache betrachtet und konstruktiv weiterhilft.
Quelle: BVerfG, Beschl. v. 15.12.2020 - 1 BvR 1395/19
zum Thema: Familienrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Zum Thema Mietrecht
Au-pair als "Eigenbedarf": Auch die Nutzung durch Fremde kann einen nachvollziehbaren Kündigungsgrund darstellen
Das Thema Eigenbedarf bleibt im Mietrecht ein großer Streitpunkt, der immer wieder vor Gericht geklärt werden muss. Im folgenden Fall, der dem Amtsgericht München (AG) vorgelegt wurde, musste die Frage beantwortet werden, ob der kündigende Eigentümer selbst einziehen muss, um den Eigenbedarf somit wörtlich zu nehmen.
Ein Vermieter lebte mit seiner berufstätigen Ehefrau und drei Kindern, von denen zwei die Grundschule besuchen und eines erst ein Jahr alt ist, in einer Eigentumswohnung. Die Ehefrau war von zu Hause aus berufstätig. Der Mann besaß außerdem noch eine knapp 700 Meter entfernt liegende Wohnung, die vermietet war. Dieses Mietverhältnis kündigte er nun und begründete die Kündigung mit Eigenbedarf. Er und seine Frau wollten ein Au-pair einstellen, das in die Wohnung einziehen soll. In ihrer Wohnung, die aus einem Elternschlafzimmer, drei Kinderzimmern, einem Wohn- und Essbereich mit offener Küche sowie Bad und einem Büro bestehe, gebe es keine Möglichkeit zur Unterbringung des Au-pairs, da sämtliche Räume bereits genutzt würden. Schließlich legte er eine Räumungsklage ein - mit Erfolg.
Es liegt laut AG durchaus ein nachvollziehbarer Kündigungsgrund vor, wenn ein Vermieter ein Au-pair in einer vermieteten Wohnung unterbringen möchte, die zu Fuß von seinem bewohnten Eigenheim nicht weit entfernt liegt. Die Raumaufteilung innerhalb der eigenen Wohnung bliebe dabei alleinige Sache des Vermieters. Eine Missbrauchskontrolle findet nur insoweit statt, ob der verfügbare Wohnraum und die angegebene Nutzung in einem auffälligen Missverhältnis stehen, so dass sich der Verdacht aufdrängen müsste, die volle Ausnutzung des Wohnraums werde nur vorgespiegelt, um die Kündigung zu ermöglichen. Doch dies war bei den Gegebenheiten hier nicht der Fall.
Hinweis: Die Vorbereitung einer mietrechtlichen Kündigung sollte stets in anwaltlicher Begleitung erfolgen. Auf Mieterseite sollte bei Erhalt einer Kündigung über eine rechtliche Beratung nachgedacht werden. Es geht für beide Seiten um viel - meist mehr als nur um die Wohnung.
Quelle: AG München, Urt. v. 12.01.2021 - 473 C 11647/20
zum Thema: Mietrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Minderjährige Vermieter: Kammergericht bestätigt Forderung des Grundbuchamts, einen Ergänzungspfleger zu bestellen
Dass bei der Übertragung von Grundstücksvermögen auf minderjährige Kinder so einiges zu berücksichtigen ist, leuchtet den meisten ein. Denn Besitz verpflichtet bekanntermaßen, und dies manchmal sogar in erheblichem Umfang. Im folgenden Fall nahmen die Eltern prinzipiell richtig an, selbst am besten zu wissen, was sie ihren Kindern schenken. Dass dies jedoch nicht ganz so einfach ist, meinte nicht nur das Grundbuchamt, sondern im Anschluss auch das Berliner Kammergericht (KG).
An zwei Minderjährige sollte von den Eltern ein vermietetes Mehrfamilienhaus überschrieben werden. Das Grundbuchamt hatte allerdings für die Übertragung der Miteigentumsanteile die Hinzuziehung eines Ergänzungspflegers für erforderlich gehalten. Der sollte nämlich die minderjährigen Kinder vertreten und somit vor Schäden schützen. Die Eltern sahen das jedoch gar nicht ein und zogen gegen die Entscheidung des Grundbuchamts vor das Gericht - vergeblich.
Veräußert der Alleineigentümer eines Grundstücks einen Miteigentumsanteil an einen Dritten, tritt dieser neben dem Veräußerer in die bestehenden Mietverhältnisse ein. Das Grundbuchamt hat in Augen des KG zu Recht für die Übertragung der Miteigentumsanteile die Genehmigung durch einen noch zu bestellenden Ergänzungspfleger für erforderlich gehalten. Denn der Erwerb eines vermieteten Grundstücks ist rechtlich nicht immer nur vorteilhaft. Es besteht eine hinreichend konkrete Möglichkeit, dass Minderjährige auch mit Pflichten aus einem Mietvertrag belastet werden können.
Hinweis: Bei der Grundstücksübertragung ist der Minderjährigenschutz zu beachten, denn ein zehnjähriges Kind wird nachvollziehbarerweise kaum seinen Vermieterpflichten nachkommen können.
Quelle: KG Berlin, Urt. v. 15.12.2020 - 1 W 1461/20
zum Thema: Mietrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Schatzfund in Mietwohnung: Das Verstecken von Banknoten ist nicht mit der Besitzaufgabe gleichzusetzen
Wer träumt nicht davon, bei der Renovierung seiner Räume auf einen versteckten und vergessenen Schatz - beispielsweise hinter der Tapete - zu stoßen? Wenn solch ein Traum wahr wird, darf man das doch einfach behalten, oder etwa nicht? Die Antwort auf diese Frage, die hier vom Amtsgericht München (AG) erfolgte, mag enttäuschen.
In einer Mietwohnung prüfte ein Elektriker auf Wunsch der Mieterin unter anderem eine Steckdose. Der Elektriker und die Mieterin öffneten die Schutzvorrichtung der Steckdose und entdeckten in einem dahinterliegenden Hohlraum 80.000 EUR in Euro- und Dollarnoten. Sie übergaben den Geldbetrag der Polizei, die es dann an das Fundbüro der Stadt München weiterleitete. Das Fundbüro war nun der Auffassung, dass den Erben des ehemaligen Vermieters das Geld gehöre. Die Mieterin war anderer Auffassung und klagte auf Zahlung eines Teilbetrags - vergeblich.
Das AG ging nämlich davon aus, dass der Vormieter die Banknoten in seinem damaligen Herrschaftsbereich versteckt hatte, also hinter einer Steckdose. Eine Besitzaufgabe sah das Gericht darin nicht. Daher handelte es sich nicht um den Fund einer verlorengegangenen Sache. Die ehrliche Finderin hatte gegenüber den Erben des verstorbenen Vormieters daher auch keinen Anspruch auf Herausgabe des Bargelds.
Hinweis: Ehrlich währt trotzdem am längsten. Wer Vermögenswerte findet, sollte das ordnungsgemäß angeben. Dann erhält man zwar vielleicht nur den Finderlohn, macht sich aber auch nicht wegen einer Fundunterschlagung strafbar.
Quelle: AG München, Urt. v. 04.12.2020 - 111 C 21915/19
zum Thema: Mietrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Trödel in der Mietimmobilie: Erst Geruchsbelästigung oder Gefährdung der Bausubstanz rechtfertigen eine fristlose Kündigung
Grundsätzlich muss eine gemietete Immobilie auch zum Wohnen benutzt werden. Verwendet der Mieter das Haus bzw. die Wohnung anderweitig, kann das Probleme hervorrufen - so wie im folgenden Fall. Hier musste das Amtsgericht Gießen (AG) darüber befinden, ob eine fristlose Kündigung des Wohnmietverhältnisses wegen der unberechtigten Lagerung von Gegenständen und Trödel rechtens ist.
Die Mieterin eines Einfamilienhauses betrieb bis vor rund 30 Jahren einen Handel mit Altgegenständen und Trödel. Einige Gegenstände aus dieser Zeit bewahrte sie in Kartons und auch lose aufgestellt im Dachgeschoss und in einem der beiden Kellerräume auf. Zudem befanden sich Gegenstände auf der Treppe im Haus sowie vor dem Eingangsbereich. Als der Vermieter Rauchmelder in den entsprechenden Zimmern anbringen wollte, reagierte die Mieterin nicht auf ein entsprechendes Schreiben. Dann wies der Vermieter darauf hin, dass die unberechtigte Lagerung von Gegenständen und Trödel im gemieteten Haus, im Keller, auf dem Dachboden, im Eingangsbereich außen und im Hof nicht rechtmäßig sei, und erteilte eine Abmahnung. Schließlich kündigte er das Mietverhältnis fristlos, da die Mieterin der Abmahnung nicht Folge geleistet habe. Die dann vom Vermieter eingereichte Räumungsklage war jedoch erfolglos.
Die Ablagerung von Müll und Gerümpel rechtfertigt nach Ansicht des AG erst dann eine fristlose Kündigung, wenn entweder Mitmieter durch Gerüche belästigt werden oder die Bausubstanz konkret gefährdet ist. Allein das "Zustellen" des Mietobjekts durch Kartons und lose Gegenstände sowohl im Haus als auch außerhalb des Hauses ließ weder eine substantielle Schädigung der Mietsache noch eine besondere Gefährdungssituation erkennen.
Hinweis: Auch in einer Wohnung, die eigentlich nur zum Wohnen dienen soll, kann der Mieter sich frei entfalten. Natürlich gibt es Grenzen, und eine ausufernde Gewerbetätigkeit ist nicht erlaubt. Wo die Grenzen liegen, kann im Zweifel der Rechtsanwalt bestimmen.
Quelle: AG Gießen, Urt. v. 19.01.2021 - 39 C 114/20
zum Thema: Mietrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Zwei Erhöhungen hintereinander: BGH begrenzt Modernisierungszuschlag auf Differenz zur allgemeinen Mieterhöhung
Eine Mieterhöhung allein hat für manche bereits das Zeug zum Drama. Was aber bei zwei aufeinanderfolgenden Mieterhöhungen passiert, bei der sich eine auf die ortsübliche Vergleichsmiete bezieht und die andere eine Modernisierungsmieterhöhung ist, konnte im Folgenden erst der Bundesgerichtshof (BGH) klären.
Eine Mietwohnung wurde in erheblichem Maß modernisiert, was ebenso ordnungsgemäß angekündigt wurde wie eine damit einhergehende Mieterhöhung. Nach Abschluss der Arbeiten erhöhte der Vermieter die Miete dann zunächst bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete, machte aber im Anschluss daran noch eine Modernisierungsmieterhöhung geltend.
Der BGH hat hierbei einen guten Kompromiss gefunden: Der Vermieter dürfe zwar durchaus eine weitere Erhöhung der Miete auf Grundlage der umlegbaren Modernisierungskosten vornehmen, selbst wenn er bereits nach der Modernisierungsmaßnahme die Miete auf Grundlage der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht habe. Allerdings sei der dann fällige Modernisierungszuschlag in seiner Höhe auf die Differenz zwischen Modernisierungszuschlag und der allgemeinen Mieterhöhung begrenzt. Beide Mieterhöhungen seien also in der Summe auf jenen Betrag begrenzt, den der Vermieter bei einer Erhöhung allein wegen der Modernisierungsmaßnahme verlangen könne.
Hinweis: Bei einer Mieterhöhung können viele Fehler gemacht werden. Gleichwohl sind insbesondere viele Privatvermieter auf eine angemessene Mieteinnahme angewiesen. Das Verfahren für eine Mieterhöhung ist gesetzlich festgelegt und kann sowohl Vermietern als auch Mietern durch einen Fachanwalt bzw. eine Fachanwältin für Mietrecht dargelegt werden.
Quelle: BGH, Urt. v. 16.12.2020 - VIII ZR 367/18
zum Thema: Mietrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Zum Thema Verkehrsrecht
Bundesgerichtshof bestätigt: Autofahrer dürfen am Steuer keinen Taschenrechner benutzen
Das folgende Urteil mag der regelmäßigen Leserschaft bekannt vorkommen. Kein Wunder, denn hier wollte der Beklagte letztinstanzlich vom Bundesgerichtshof (BGH) wissen, ob das Bedienen eines Taschenrechners während der Autofahrt mit einem Bußgeld geahndet werden kann.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall war der Autofahrer bereits von Oberlandesgericht Hamm zu einer Geldbuße verurteilt worden, weil er während der Fahrt einen Taschenrechner bedient hatte. Der BGH hat nun bestätigt, dass ein Taschenrechner der Regelung der Straßenverkehrsordnung (StVO) unterfällt, weil es sich um ein elektronisches Gerät handelt, das der Information dient. Am Steuer darf ein Taschenrechner daher nicht benutzt werden. Elektronische Geräte, die der Kommunikation, Information und Organisation dienen, sowie Geräte der Unterhaltungselektronik und Navigationsgeräte dürfen ebenfalls nicht mehr verwendet werden. Sie dürfen vom Fahrzeugführer nur noch benutzt werden, wenn sie hierfür weder aufgenommen noch in der Hand gehalten werden. Auch dann darf der Fahrer den Blick aber nur kurz vom Verkehr abwenden, oder er muss eine Sprachsteuerung nutzen.
Hinweis: Durch die 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 06.10.2017 ist die Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO grundlegend umgestaltet worden. An die Stelle der früheren, vom Verordnungsgeber nicht mehr als zeitgemäß erachteten Verbotsnorm, die lediglich für Mobil- oder Autotelefone galt, ist eine als Gebotsvorschrift ausgestaltete Bestimmung getreten, die regelt, wie und wann die in der Vorschrift genannten elektronischen Geräte beim Führen eines Fahrzeugs benutzt werden dürfen. Damit wird der Zweck deutlich, zur Verkehrssicherheit die Regelung über den bisherigen Bereich der Mobil- und Autotelefone hinaus auszudehnen. Eine Benutzung der in der Vorschrift näher bezeichneten elektronischen Geräte wird nun davon abhängig gemacht, dass die Hände des Fahrzeugführers während der Fahrt grundsätzlich zur Bewältigung der Fahraufgaben zur Verfügung stehen und der Blick des Fahrzeugführers im Wesentlichen - von kurzen Blickabwendungen abgesehen - auf das Verkehrsgeschehen konzentriert bleibt.
Quelle: BGH, Beschl. v. 16.12.2020 - 4 StR 526/19
zum Thema: Verkehrsrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Das "Halten" ohne Hände: Ein während der Fahrt zwischen Ohr und Schulter eingeklemmtes Handy führt auch zum Bußgeld
Zugegeben - in Sachen sprachlicher Spitzfindigkeit ist Jura oftmals ein wahres Minenfeld. Jedoch ist neben einer oftmals wörtlichen Auslegung von Gesetzen auch stets die Lebenswirklichkeit mit einzubeziehen. So versuchte eine Frau im folgenden Fall, ihre Telefonnutzung während der Fahrt mit der sprachlichen Auslegung des Worts "Halten" zu rechtfertigen. Doch das Oberlandesgericht Köln (OLG) klärte die Autofahrerin deutlich auf, was das betreffende Gesetz damit bezweckt.
Auf einem im Rahmen einer Geschwindigkeitsmessung aufgenommenen Messfoto war zu erkennen, dass die Fahrzeugführerin ein Mobiltelefon zwischen der Schulter und dem Kopf eingeklemmt hatte. Sie räumte ein, dass sie dieses auch durchaus zum Telefonieren genutzt habe, das Telefon jedoch bereits vor Fahrtantritt in der abgebildeten Haltung hielt. Sie war dabei der Auffassung, dass es sich hierbei nicht um ein "Halten" im Sinne der Straßenverkehrsordnung handele, da dieses schließlich ein Halten in der Hand voraussetze.
Das OLG sah dies jedoch anders und entschied, dass das sprachliche "Halten" eines Gegenstands nicht notwendig die Benutzung der Hände voraussetze. Zudem liegt in dem derartigen Einklemmen des Mobiltelefons ein nicht unerhebliches Gefährdungspotential, weil das Risiko besteht, dass das Mobiltelefon sich aus dieser "Halterungsform" lösen kann. Das kann den Fahrer wiederum zu unwillkürlichen Reaktionen verleiten, um zu verhindern, dass es etwa im Fußraum des Fahrzeugs landet. Schon um diesem Risiko entgegenzuwirken, werde der Fahrer einen ansonsten dem Verkehrsgeschehen zuzuwendenden Teil seiner Aufmerksamkeit seinem Mobiltelefon schenken. Eben jener Umstand unterscheide eine derartige Nutzung des Mobiltelefons auch von derjenigen mittels einer Freisprecheinrichtung, bei der sich der Fahrer um die Stabilität der Halterung keine Gedanken machen müsse.
Hinweis: Die Benutzung der Hände ist demnach nicht erforderlich, um das Handy verkehrswidrig zu nutzen, weil das Risiko besteht, dass das sich Mobiltelefon löst und den Fahrer dann zu unwillkürlichen Reaktionen verleitet.
Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 04.12.2020 - III-1 RBs 347/20
zum Thema: Verkehrsrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Grobe Verkehrswidrigkeit: Wer unachtsam eine Fahrbahn überquert, trägt im Ernstfall die alleinige Haftung
Kaum hat ein Mensch laufen gelernt, wird ihm mühsam beigebracht, dass er vor dem Überqueren einer Fahrbahn dringend die entsprechende Vorsicht walten lassen muss. Mit der Reife kommt dann der zu bewältigende Alltag hinzu, so dass diese Lehrstunde viel zu oft in Vergessenheit gerät. Doch immerhin bleibt Erwachsenen im Ernstfall noch der Rechtsweg - ob dieser vor dem Oberlandesgerichts Koblenz (OLG) etwas brachte, lesen Sie hier.
Eine Fußgängerin, die einen Einkaufswagen vor sich herschob, ging den Bürgersteig einer Bundesstraße entlang, die sie schließlich überqueren wollte. Es kam, wie es kommen musste, und zwar zum Unfall. Bei diesem verletzte sich die Frau erheblich, so dass sie den Autofahrer in Mithaftung ziehen wollte.
Eine solche Mithaftung konnte das OLG jedoch nicht feststellen. Nach Überzeugung der Richter hatte die Fußgängerin die Straße betreten, ohne sich zuvor in irgendeiner Art und Weise zu vergewissern, ob sich ein Fahrzeug näherte. Nach den Feststellungen des Sachverständigen hätte die Fußgängerin den Unfall vermeiden können, indem sie angesichts des sich erkennbar nähernden Fahrzeugs ihr Vorhaben, die Fahrbahn zu überqueren, zurückgestellt hätte. Das Gericht berücksichtigte dabei zudem, dass die Fußgängerin dunkel gekleidet und es zum Unfallzeitpunkt bereits dunkel war. Mithin habe die Fußgängerin grob verkehrswidrig gehandelt, so dass eine Mithaftung des Autofahrers ausscheidet.
Hinweis: Um eine zumindest eine Mithaftung des Pkw-Fahrers zu begründen, hätte die Fußgängerin beweisen müssen, dass dieser ebenfalls schuldhaft zu dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls beigetragen hat. Nach den Feststellungen des Sachverständigen konnte aber nicht festgestellt werden, dass der Fahrer ausreichend Zeit hatte, auf das nicht vorhersehbare Queren der Frau zu reagieren.
Quelle: OLG Koblenz, Urt. v. 21.12.2020 - 12 U 401/20
zum Thema: Verkehrsrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Reparaturnachweis genügt: Bei fiktiver Abrechnung auf Basis eines Gutachtens muss keine Rechnungsvorlage erfolgen
Die fiktive Abrechnung ist im Verkehrsrecht ein stets beliebter Streitpunkt zwischen den Unfallparteien bzw. ihren Versicherungen. Im Fall des Oberlandesgerichts München (OLG) war der Aufwand einer gemäß Gutachten erfolgten Reparatur nicht nur strittig - der Geschädigte weigerte sich zudem, die diesbezügliche Rechnung vorzulegen. Ob dies ein cleverer Schachzug war, lesen Sie hier.
Der Geschädigte ließ nach dem Unfall die Reparaturkosten durch einen Sachverständigen zunächst einmal schätzen. Dieser ermittelte daraufhin die Reparaturkosten von 10.000 EUR. Die gegnerische Haftpflichtversicherung meinte hingegen, dass lediglich 5.000 EUR für die zwischenzeitlich durchgeführte Reparatur angefallen seien.
Das OLG sprach dem Geschädigten jedoch die vollen Reparaturkosten zu. Anders als in einem vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall hat der Geschädigte hier die Reparaturkostenrechnung nicht vorgelegt. Hätte er dies getan, hätte er nach der BGH-Rechtsprechung nur die tatsächlich angefallenen Bruttoreparaturkosten erstattet bekommen. Doch generell hat ein Geschädigter stets die Wahl, ob er die tatsächlich angefallenen oder die gemäß einem Sachverständigengutachten erforderlichen (fiktiven) Reparaturkosten als Schadensersatz geltend macht.
Hinweis: In dem vom OLG entschiedenen Fall hatte der Geschädigte nachgewiesen, dass er entsprechend dem Gutachten sein beschädigtes Fahrzeug vollständig und fachgerecht hat reparieren lassen. Wenn ein solcher Nachweis erbracht wird, sollte die Vorlage einer Reparaturkostenrechnung unterbleiben.
Quelle: OLG München, Urt. v. 17.12.2020 - 24 U 4397/20
zum Thema: Verkehrsrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Verkehrssicherungspflicht auf Gehwegen: Durchhängende Kettenabsperrung ist auch für einen Achtjährigen nicht zu übersehen
Bei Verkehrssicherungspflichten und Klagen gegen die dafür Verantwortlichen ist es stets wichtig, die Verhältnisse zum Unfallzeitpunkt auf sogenannte hinreichend aufmerksame Verkehrsteilnehmer abzustellen. Ob auch ein achtjähriges Kind dazu zu zählen ist, musste im folgenden Fall das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) in einem Lokaltermin prüfen und abschließend bewerten.
Das achtjährige Kind war mit seinem Vater bei Dämmerung auf dem Gehweg zu Fuß unterwegs. Vor dem Straßenübergang blieb das Kind stehen, entdeckte das Fahrzeug seines Vaters, das auf einem Parkplatz unmittelbar gegenüber geparkt war, und rannte los. Hierbei übersah es jedoch eine entlang des Gehwegs gespannte Kette, die in etwa dieselbe Farbe wie der Straßenbelag hatte. Das Kind rannte dagegen, stürzte und verletzte sich schwer.
Das in der Berufungsinstanz mit der Sache befasste OLG führte einen Ortstermin durch, bei dem die gleichen Lichtverhältnisse herrschten wie zum Unfallzeitpunkt. Es stellte dabei fest, dass die Kette zwischen den Metallpfosten in einer Höhe von 76 bis 93 cm durchhängt. Die Kette dient der Absperrung des Fußwegs an einer stark befahrenen Straße und soll den Durchgang nur an besonders markierten Stellen ermöglichen. Die Richter konnten sich davon überzeugen, dass die Kette auch bei den zum Unfallzeitpunkt herrschenden Lichtverhältnissen und auch unter Berücksichtigung der Körpergröße des Kindes bei gebotener Aufmerksamkeit nicht zu übersehen sei. Damit entfalle eine Haftung der verklagten Stadt.
Hinweis: Jeder Verkehrsteilnehmer muss selbst die erforderliche Sorgfalt walten lassen, da eine Kommune nur solche Gefahren ausräumen und gegebenenfalls vor ihnen warnen muss, die für hinreichend aufmerksame Verkehrsteilnehmer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind. Im zu entscheidenden Fall war auch zu berücksichtigen, dass durch die deutlich markierten rot-weißen Metallpfosten und den an einigen Stellen abgesenkten Gehweg jedem bewusst sein musste, an welchen Stellen man die Straße überqueren soll.
Quelle: OLG Nürnberg, Urt. v. 18.11.2020 - 4 U 47/20
zum Thema: Verkehrsrecht
(aus: Ausgabe 04/2021)
Zum Thema Sonstiges
Allgemeinpolitische Äußerungen untersagt: AStA darf lediglich die hochschulpolitischen Belange der Studierenden wahrnehmen
Einigen Alt-68ern mag das folgende Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main (VG) womöglich bitter aufstoßen. Denn hierbei ging es um das politische Engagement des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Goethe-Universität Frankfurt im Rahmen des G20-Gipfels in Hamburg.
Der AStA hatte im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg zu einer Demonstration "United we stand - unsere Solidarität gegen ihre Repressionen" aufgerufen. Die Demonstration richtete sich gegen Polizeigewalt im Zusammenhang mit Wohnungsdurchsuchungen durch die Hamburger Polizei. Daraufhin erließ die Universität die Verfügung, künftig allgemeinpolitische Aussagen zu unterlassen - insbesondere solche Aussagen, die als Aufruf zur Gewalt gegen Personen und Sachen verstanden werden können. Gleichseitig drohte die Universität für den Fall des Zuwiderhandelns ein Ordnungsgeld von 4.000 EUR an. Bereits zuvor hatte es Ermahnungen für politische Äußerungen gegeben. Gegen diese Verfügung klagte der AStA.
Das VG hat die Verfügung der Universität jedoch bestätigt. Bei einer Vielzahl der gerügten Verhaltensweisen habe die staatlich verfasste Studierendenschaft den ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich deutlich überschritten und sich allgemeinpolitisch betätigt. Der AStA hat die hochschulpolitischen Belange der Studierenden wahrzunehmen und die politische Bildung der Studierenden zu fördern. Sowohl mit dem Werben für die betreffende Demonstration als auch durch das Teilen eines Demonstrationsaufrufs gegen Polizeigewalt und Polizeiwillkür auf der Facebookseite hatte der AStA gegen die Pflicht verstoßen, ausschließlich hochschulbezogene Belange wahrzunehmen.
Hinweis: Der Aufruf zur Gewalt gegen Personen oder Sachen sollte stets unterbleiben. Das gilt trotz aller Traditionen auch für einen AStA.
Quelle: VG Frankfurt am Main, Urt. v. 23.02.2021 - 4 K 461/19.F
zum Thema: Sonstiges
(aus: Ausgabe 04/2021)
Ausfuhrgenehmigung bestätigt: Gegen einen Export von Brennelementen besteht kein Verbandsklagerecht
Wer den Rechtweg beschreiten will, muss sich auch darüber im Klaren sein, welchen Pfad genau er beschreiten muss, um seinen Anspruch korrekt einzuklagen. Dass Widersprüche von Umweltschutzverbänden und Privatpersonen beispielsweise nicht immer statthaft sind, zeigt der folgende Fall des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main (VG), bei dem es um eine atomrechtliche Ausfuhrgenehmigung ging.
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle erteilte einem Unternehmen im September 2020 eine atomrechtliche Ausfuhrgenehmigung für die Belieferung eines an der deutschen Grenze gelegenen Schweizer Kernkraftwerks mit Kernbrennstoffen. Dagegen hatten drei im Süden Baden-Württembergs lebende Privatpersonen und ein Umweltschutzverband Widerspruch eingelegt. Sie meinten, der Betrieb des Kernkraftwerks bedrohe die Sicherheit der ganzen Region, sei veraltet sowie störanfällig und erfülle die aktuellen Sicherheitsanforderungen nicht. Im Fall eines schweren Unfalls werde es auf deutscher Seite wesentlich mehr Strahlenopfer geben als in der Schweiz. Schließlich musste das VG entscheiden.
Das Gericht war jedoch der Auffassung, dass die erteilte Ausfuhrgenehmigung rechtmäßig sei. Die von den Privatpersonen erhobenen Widersprüche seien hingegen alle offensichtlich unzulässig. Auch der Umweltschutzverband hatte kein Widerspruchsrecht. Denn das deutsche Recht sehe im Hinblick auf atomrechtliche Exportgenehmigung gar kein sogenanntes Verbandsklagerecht vor.
Hinweis: Eine Verbandsklage ist eine Popularklage, bei der Vereine oder Verbände die Klagebefugnis innehalten, nicht die Verletzung eigener Rechte, sondern die der Allgemeinheit geltend zu machen.
Quelle: VG Frankfurt am Main, Beschl. v. 12.02.2021 - 6 L 3232/20
zum Thema: Sonstiges
(aus: Ausgabe 04/2021)
Autokorso als Demonstrationszug: Verwaltungsgericht bestätigt Auflagen zu Streckenverlauf, Lärmvermeidung und Verkehrssicherheit
Völlig unabhängig vom Anliegen der jeweils Demonstrierenden hält unser Grundgesetz seine schützende Hand über die Versammlungsfreiheit. Da klassische Demonstrationen während der Coronapandemie verboten sind, versuchen Bürgerinnen und Bürger daher, ihrem Unmut in Form von Autokorsos Ausdruck zu verleihen. Dass aber auch für diese Demonstrationsweise Regeln einzuhalten sind, verdeutlicht das Verwaltungsgericht Gießen (VG) in seinem folgenden Beschluss.
Ein Mann wollte einen Demonstrationszug mit Autokorsos durch verschiedene Städte und Gemeinden eines Landkreises durchführen. Der Landkreis verfügte daraufhin unter anderem eine geringfügige Änderung des Streckenverlaufs. Darüber hinaus seien die an der Versammlung teilnehmenden Fahrzeuge mit Aufklebern zur Kenntlichmachung ihrer Teilnahme zu versehen. Die Kraftfahrzeuge dürften zudem nur in verkehrssicherem Zustand an der Versammlung teilnehmen. Außerdem dürfe der Lärmpegel bei dem Einsatz von Fahrzeugen mit Lautsprechern 90 db (A) nicht überschreiten. Hupen mit der Fahrzeughupe und vergleichbare Schallzeichen aus dem Fahrzeug seien untersagt. Dagegen klagte der Mann vor dem VG.
Die Auflagen waren in Augen des VG-Senats jedoch rechtmäßig. Der Streckenverlauf war für die Richter in Ordnung. Die widerstreitenden Interessen der einzelnen Beteiligten waren zu berücksichtigen. Gleiches galt für die Lärmauflage und der Forderung nach verkehrssicheren Fahrzeugen. Ein Hupen war ebenfalls verboten, da dieses laut VG rechtlich nur zur Warnung, nicht zur akustischen Begleitung der Versammlung eingesetzt werden darf, auch wenn dies die Straßenverkehrsordnung so nicht vorsieht.
Hinweis: Das Grundgesetz schützt die Versammlungsfreiheit als besonderes Gut. Doch diese ist aufgrund der Coronapandemie derzeit häufig eingeschränkt. Was erlaubt ist und was nicht, ist im Einzelfall zu entscheiden.
Quelle: VG Gießen, Beschl. v. 18.02.2021 - 4 L 566/21.GI
zum Thema: Sonstiges
(aus: Ausgabe 04/2021)
Folgenschweres Foul: Erst der Nachweis eines eindeutig unfairen Regelverstoßes führt zum Schmerzensgeldanspruch
Gerade bei Kontaktsportarten können Fouls sehr bittere Folgen haben. Zwar kann man im Zuge dessen schon einmal über die Geltendmachung von Schmerzensgeld nachdenken - doch dass dies nicht so einfach ist, zeigt das folgende Urteil des Landgerichts Frankenthal (LG).
Ein Fußballspieler hatte sich bei einem Spiel der C-Klasse Rhein-Pfalz-Süd in einem Zweikampf eine Außenbandverletzung zugezogen, die sehr kompliziert und schwerwiegend war. Er meinte, vom gegnerischen Verteidiger grob gefoult worden zu sein, als der Ball schon zwei Meter entfernt und für diesen unerreichbar gewesen sei. Nach dem Foul habe sich der Gegenspieler das Trikot ausgezogen und dieses vor den Zuschauern triumphierend geschwenkt. Seiner Ansicht nach habe dies klar darauf hingedeutet, dass es ihm nur darauf angekommen sei, ihn absichtlich von den Beinen zu holen. Deshalb forderte er von dem Gegenspieler 5.000 EUR Schmerzensgeld - vergeblich.
Wird nämlich ein Amateurfußballer während eines Spiels gefoult und verletzt sich dabei, hat er laut LG nur ausnahmsweise einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen den Foulenden. Der Gefoulte muss nämlich nachweisen können, dass der Gegner eine grob fahrlässige, unentschuldbare Regelwidrigkeit begangen hat. Schließlich ist Fußball ein Spiel, bei dessen "Kampf um den Ball" es gelegentlich zu Fouls und unvermeidbaren Verletzungen kommt. Insofern kommt die Haftung eines Sportlers nur dann in Betracht, wenn er schuldhaft und grob unsportlich gegen die Regeln des Wettkampfs verstößt. Dabei reicht allerdings ein Regelverstoß aus Spieleifer, Unüberlegtheit oder technischem Versagen nicht aus. Erst wenn bei kampfbetonter Härte die Grenze hin zu einem unfairen Regelverstoß überschritten wird, droht eine Haftung. Den entsprechenden Beweis konnte der gefoulte Fußballspieler hier aber nicht erbringen.
Hinweis: Das LG hat deutlich gesagt, dass Fußball ein Kampfspiel ist. Und wer sich auf einen Kampf einlässt, muss auch eventuelle Folgen tragen - eine vielleicht nicht in aller Konsequenz nachvollziehbare Entscheidung.
Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 14.12.2020 - 5 O 57/19
zum Thema: Sonstiges
(aus: Ausgabe 04/2021)
Nutzungspflicht erst 2022: Aktive Nutzung des "besonderen elektronischen Anwaltspostfachs" ist noch nicht verpflichtend
Alle Rechtsanwälte verfügen über ein "besonderes elektronisches Anwaltspostfach" (beA). Dabei handelt es sich um nichts anderes als beispielsweise das bekannte Programm Outlook, mit dem man E-Mails und Termine verwalten kann - der Sicherheitsstandard ist nachvollziehbarerweise nur wesentlich höher. Wann und wie dieses Postfach zu nutzen ist, war Dreh- und Angelpunkt im Fall eines versäumten Fristablaufs, den der Bundesgerichtshof (BGH) anders bewertete als die Vorinstanz.
Nachdem die erste Instanz eines Rechtsstreits für seinen Mandanten verloren wurde, ging dessen Anwalt in die Berufung. Die Begründung einer solchen Berufung ist natürlich fristgebunden, und als der Anwalt am letzten Tag des Fristablaufs mehrfach versuchte, ein Fax an das Berufungsgericht zu senden, scheiterte er - das Faxgerät im Gericht war defekt. Daraufhin beantragte der Rechtsanwalt die sogenannte Wiedereinsetzung, da er der Meinung war, die Frist nicht versäumt zu haben. Das zuständige Landgericht hat die Klage daraufhin jedoch abgewiesen, da die Berufungsbegründungsfrist nicht eingehalten worden sei. Denn immerhin hätte der Rechtsanwalt ja auch die Berufungsbegründung über sein beA versenden können.
Das allerdings sah der BGH anders. Denn bis Ende 2021 ist ein Rechtsanwalt nur verpflichtet, das beA passiv nutzen zu können - also um beispielsweise Schriftsätze entgegennehmen zu können. Bis zum Eintritt der sogenannten aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für Rechtsanwälte besteht allerdings keine allgemeine Pflicht, sich mit den Anforderungen und der Funktionsweise der Erstellung und des Versands elektronischer Dokumente auseinanderzusetzen. Und da der Anwalt das beA bislang noch nicht aktiv genutzt hatte, war es ihm auch nicht zuzumuten, sich innerhalb kurzer Zeit vor Fristablauf erstmals mit den Voraussetzungen dieser (für ihn neuen) Zugangsart vertraut zu machen.
Hinweis: Mandanten und Mandantinnen können übrigens nicht über das beA mit dem Rechtsanwalt korrespondieren. Das funktioniert nur zwischen den Rechtsanwälten und den Gerichten.
Quelle: BGH, Urt. v. 17.12.2020 - III ZB 31/20
zum Thema: Sonstiges
(aus: Ausgabe 04/2021)